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    07.11.2024

    Erfolgreiche Abwehr eines Teilzeitanspruchs


    Arbeitsgericht Köln vom 31. Juli 2024, Az. 9 Ca 6540/23

    Teilzeitarbeit steht bei Arbeitnehmern hoch im Kurs und Unternehmen sehen sich oft mit entsprechenden Verlangen nach Arbeitszeitverkürzungen konfrontiert. Das Gesetz stellt den Arbeitnehmern dabei mit den in §§ 8, 9a TzBfG normierten Teilzeitansprüchen effektive Durchsetzungsmittel zur Verfügung. Diesen kann der Arbeitgeber zwar unter Berufung auf „betriebliche Gründe“ begegnen, jedoch stellen die Gerichte hier hohe Hürden auf. Gleichwohl ist bei sorgfältiger Vorbereitung eine Abwehr von Teilzeitansprüchen nicht unmöglich, wie eine aktuelle Entscheidung des Arbeitsgerichts Köln exemplarisch zeigt:

    Sachverhalt

    Der Arbeitgeber, ein Unternehmen der chemischen Industrie, betreibt u.a. drei Tanklager, in denen der klagende Arbeitnehmer als Schichtmeister tätig ist. Der Arbeitgeber hat mit dem Betriebsrat in einer Betriebsvereinbarung ein vollkontinuierliches 5-Schicht-Wechselschichtmodell geregelt. Dieses besteht aus insgesamt fünf Schichtgruppen, die den Tanklagerbetrieb in drei Schichten (Früh-, Spät- und Nachtschicht) rund um die Uhr aufrechterhalten. Aus diesem Arbeitszeitmodell ergibt sich für jeden Beschäftigten eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 33,6 Stunden pro Woche. Um die Differenz von 3,9 Stunden zur tariflichen Vollarbeitszeit von 37,5 Stunden auszugleichen, leisten die Beschäftigten jährlich 25,5 Ausgleichsschichten. 80% dieser Ausgleichsschichten werden zu Jahresbeginn langfristig geplant, die übrigen 20% werden kurzfristig verplant, um Personalengpässe aufzufangen, etwa wegen Urlaub oder Krankheit.

    Der klagende Arbeitnehmer begehrte nun eine Verkürzung und Neuverteilung seiner Arbeitszeit auf durchschnittlich 35 Stunden je Woche für fünf Jahre. Der Arbeitgeber versuchte, mittels Stellenausschreibungen auf ihrer Homepage und bei der Bundesagentur für Arbeit eine Ersatzkraft zu finden, welche die dadurch freiwerdende Arbeitszeit ausfüllen könnte. Dies blieb allerdings erfolglos. Der Teilzeitantrag des Arbeitnehmers wurde daraufhin aus betrieblichen Gründen abgelehnt. Mit der Klage versuchte der Kläger, den Arbeitgeber gerichtlich zur Zustimmung zu seinem Teilzeitbegehren verpflichten zu lassen. 

    Die Entscheidung

    Dieses Begehren wies das Arbeitsgericht Köln im Ergebnis jedoch zurück:

    Dabei prüfte das Arbeitsgericht Köln schulbuchmäßig, ob dem Teilzeitverlangen „betriebliche Gründe“ entgegenstehen. Das Bundesarbeitsgericht hat dazu ein dreistufiges Prüfungsschema entwickelt, wonach auf der ersten Stufe festzustellen ist, ob der arbeitgeberseitig als erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung überhaupt ein betriebliches Organisationskonzept zu Grunde liegt und – wenn das zutrifft – um welches Konzept es sich handelt. Auf der zweiten Stufe ist sodann zu untersuchen, ob und inwiefern die sich aus diesem Organisationskonzept ergebende Arbeitszeitregelung dem streitigen Arbeitszeitverlangen tatsächlich entgegensteht. Schließlich wird auf der dritten Stufe geprüft, ob die aus dem Organisationskonzept folgenden betrieblichen Gründe „gewichtig“ sind, d.h. ob die vom Arbeitnehmer verlangte Arbeitszeitverringerung zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des betrieblichen Organisationskonzepts führen würde.

    Anhand dieser Prüfung kam das Arbeitsgericht Köln zu dem Ergebnis, dass das Teilzeitverlangen des Schichtleiters mit dem vollkontinuierlichen 5-Schicht-Wechselschichtmodell nicht vereinbar sei. Das folge schon daraus, dass es in der aktuellen Personalsituation für das Tanklager nur zehn Schichtleiter gebe, wobei pro Schicht jeweils zwei eingesetzt werden müssten. Wenn der Arbeitnehmer seinem Begehren entsprechend weniger Ausgleichsschichten ableisten würde, hätte dies rechnerisch zwingend Mehrarbeit auf Seiten der anderen Beschäftigten zur Folge. Der Arbeitnehmer habe aber keinen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber den durch seinen Teilzeitwunsch entstehenden Arbeitsausfall durch die Anordnung von Überstunden für andere Arbeitnehmer ausgleicht. Zudem habe sich der Arbeitgeber mit der Schaltung von Stellenanzeigen in angemessenen Umfang, wenn auch erfolglos, bemüht, den Ausfall durch die Einstellung einer Ersatzkraft aufzufangen. Der Arbeitgeber sei aber nicht verpflichtet, das bestehende Schichtsystem grundlegend zu verändern, um dem Schichtleiter eine Teilzeittätigkeit zu ermöglichen. Schließlich würde der Teilzeitwunsch auch zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Organisationskonzepts führen, da bei seiner Berücksichtigung eine vollkontinuierliche Besetzung des Tanklagers mit einem Schichtleiter nicht mehr gewährleistet und daher der „Rund-um-die Uhr“-Betrieb nicht aufrechterhalten werden könne. 

    Konsequenzen für die Praxis

    Die Entscheidung verdient Zustimmung. Zwar wird vom Arbeitgeber verlangt, Teilzeitverlangen seiner Arbeitnehmer eingehend zu prüfen und nach Möglichkeit auch zu gewähren, jedoch ist die Grenze dort erreicht, wo ein – erforderliches - betriebliches Arbeitszeitsystem besteht und sich die gewünschte Teilzeittätigkeit auch unter zumutbaren Anstrengungen nicht in dieses System einpassen lässt. In einem solchen Fall liegen „betriebliche Gründe“ vor, die eine Ablehnung des Teilzeitwunsches rechtfertigen. 

    Damit dies in Streitfällen auch überzeugend dargelegt werden kann, sind allerdings die Implementierung eines fundierten Organisations-/Arbeitszeitkonzepts sowie angemessene Bemühungen um die Berücksichtigung individueller Arbeitszeitwünsche notwendig.

    Dr. Michael Matthiessen

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