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    17.04.2025

    Kein Platz für Fremde? Zu den typischen Beschränkungen in Familienunternehmen


    Satzungen von Familienunternehmen sehen regelmäßig Beschränkungen hinsichtlich der Veräußerung oder Vererbung der Geschäftsanteile vor – das Unternehmen soll in Familienhand bleiben. Das birgt in Kombination mit den Verflechtungen von Unternehmen und Familie erhöhtes Konfliktpotential.

     

    Hintergrund

    Familienunternehmen prägen und dominieren den Mittelstand und die Unternehmenslandschaft in Deutschland. Sie sind in den unterschiedlichsten Ausgestaltungen und Rechtsformen in jeder Branche vertreten. Statt kurzfristiger Gewinnerzielung steht bei Familienunternehmen typischerweise die langfristige, generationsübergreifende und -überdauernde Verwaltung und Erhaltung des Familienvermögens im Vordergrund. Das erfordert nicht nur eine Mehrgenerationenstrategie, sondern auch vielschichtige, abgestimmte Regelungen und Strukturen, die den individuellen Umständen und Bedürfnissen der Unternehmerfamilie auf der einen Seite und denen des Familienunternehmens auf der anderen Seite Rechnung tragen. Zentrale Elemente sind dabei stets (finanzielle) Unabhängigkeit, Nachhaltigkeit und eine langfristige strategische Ausrichtung.

    Um die finanzielle Unabhängigkeit dauerhaft zu bewahren, gilt es, den Abfluss von Eigenkapital und liquider Mittel so gut wie möglich zu verhindern. Üblicherweise sind in Gesellschaftsverträgen von Familienunternehmen daher Beschränkungen von Abfindungsansprüchen und Einschränkungen von Ausstiegsmöglichkeiten für die Unternehmerfamilie dezidiert geregelt. Weiteres typisches Merkmal ist außerdem die personelle Beschränkung des Gesellschafterkreises auf Familienmitglieder und Abkömmlinge der Gründer (sog. closed shop-Strategie). 

    Zentrale Regelungsinstrumente sind dabei insbesondere sog. Vinkulierungsklauseln, kombiniert mit Nachfolgeklauseln. Diese werden wiederum häufig flankiert von Regelungen zum Ausschluss oder der Einziehung von Unternehmensanteilen bei Verstößen gegen diese Beschränkungen:

    • Vinkulierungsklauseln stellen sicher, dass die Übertragung und auch die Belastung von Unternehmensanteilen nur mit Zustimmung der (Mehrheit der) Gesellschafter des Familienunternehmens möglich ist. Dabei sehen die Gesellschaftsverträge von Familienunternehmen regelmäßig vor, dass die Zustimmung der übrigen Gesellschafter im Sinne der Vinkulierungsklausel entbehrlich ist, sofern die Unternehmensanteile an ein nachfolgeberechtigtes Familienmitglied im Sinne der Nachfolgeklausel übertragen werden.
    • Nachfolgeklauseln regeln, wer bei Ableben eines Gesellschafters nachfolgeberechtigt ist, d.h. welche Personen unter welchen Voraussetzungen in den Gesellschafterkreis des Familienunternehmens eintreten dürfen.
    • Ausschluss- und Einziehungsklauseln bestimmen, unter welchen Voraussetzungen ein Gesellschafter ausgeschlossen bzw. seine Geschäftsanteile gegen Abfindung eingezogen werden dürfen – etwa dann, wenn er gegen zentrale Regelungen des Gesellschaftsvertrags verstößt oder nicht (mehr) zum Kreis der gesellschaftsvertraglich definierten Familienangehörigen gehört.

    Das Zusammenspiel solcher vertraglichen Konstruktionen dient der effektiven Kontrolle über den Gesellschafterkreis und der Nachfolge im Familienunternehmen.

    Die Beschränkung des Gesellschafterkreises auf Familienmitglieder kann im Laufe der Generationen in Kombination mit den weiteren üblichen Beschränkungen von Ausstiegsmöglichkeiten und Abfindungen zu erheblichen Problemen führen. War für die Gründer der Vorrang des Unternehmensinteresses noch selbstverständlich, so stehen für Familienmitglieder in den nachfolgenden Generationen gegebenenfalls vom Unternehmsinteresse abweichende persönliche Interessen im Vordergrund. Nicht selten führt das dazu, dass Gesellschafter aus dem Familienunternehmen bzw. dem Gesellschafterkreis für eine regelmäßig beträchtliche Abfindung bzw. einen hohen Kaufpreis aussteigen möchten. An den den persönlichen pekuniären Interessen entgegenstehenden gesellschaftsvertraglichen Regelungen entbrennt in diesem Fall sodann häufig ein Gesellschafterstreit. So auch in dem vom OLG Hamm entschiedenen Fall, in dem eine Gesellschafterin wegen der Umgehung von Nachfolge- und Vinkulierungsklauseln aus dem Familienunternehmen ausgeschlossen wurde.

    Sachverhalt (vereinfacht dargestellt)

    In dem zugrunde liegenden Fall wandte sich die Klägerin gegen ihren Ausschluss als Gesellschafterin aus der Beklagten, einem Familienunternehmen in Form einer GmbH & Co. KG. Hintergrund für den Ausschluss aus wichtigem Grund war ein Vertrag zwischen der Klägerin und einem familienfremden Investor, dessen Umsetzung im Ergebnis dazu führen sollte, dass der Investor durch eine mehrschichtige Transaktion eine mittelbare Beteiligung an der Beklagten erwirbt. Einem Verkauf an einen familienfremden Dritten hatten die übrigen Gesellschafter des Familienunternehmens im Vorfeld nicht zugestimmt. Die Transaktionsstruktur sah unter anderem die Zwischenschaltung einer Vorratsgesellschaft vor, so dass die gesamte Transaktion ohne Mitwirkung und Zustimmung der übrigen Gesellschafter des Familienunternehmens hätte von statten gehen sollen.

    Nach Einschätzung des OLG Hamm lief die im Vertrag mit dem Investor vorgesehene, mehrschichtige Transaktionsstruktur bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise dem Gesellschaftsvertrag zuwider. Denn der Gesellschaftsvertrag der Beklagten enthielt eine umfassende Vinkulierung, wonach jede Übertragung von Unternehmensanteilen zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter bedurfte. Die Zustimmung war nur dann entbehrlich, sofern der betroffene Unternehmensanteil auf eine nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrags nachfolgeberechtigte Person übertragen wird. Nachfolgeberechtigt waren nur Abkömmlinge von Familiengesellschaftern und Gesellschaften, an denen unmittelbar oder mittelbar nach Kapital mehrheitlich oder nach Stimmen beherrschend Personen beteiligt waren, die Abkömmlinge von Familiengesellschaftern waren.

    Zwar wäre – wie von der mehrschichtigen Transaktionsstruktur vorgesehen – die Übertragung der Gesellschaftsanteile der Beklagten auf eine von nachfolgeberechtigten Personen gehaltene Vorratsgesellschaft, sowie die anschließende Übertragung der Gesellschaftsanteile der Vorratsgesellschaft auf den Investor, isoliert betrachtet ohne die Zustimmung der übrigen Gesellschafter gemäß der Vinkulierungsklausel zulässig gewesen. Bei wirtschaftlicher Betrachtung der gesamten Transaktion, ergab sich jedoch ein anderes Bild. Denn die mittelbare Beteiligung des familienfremden Investors lief dem Zweck der umfassenden Vinkulierung der Unternehmensanteile und den Nachfolgeregelungen bei der Beklagten in der Gesamtschau zuwider. Schon durch den Abschluss des Vertrags mit dem Investor hatte die Klägerin nach Ansicht des OLG Hamm daher vorsätzlich gegen wesentliche Grundgedanken des Gesellschaftsvertrags und damit gegen ihre Treuepflichten verstoßen. Das galt insbesondere deshalb, weil der Vinkulierungsklausel bei der als Familienunternehmen konzipierten Beklagten aufgrund der weitreichenden flankierenden Maßnahmen zur Beschränkung des Gesellschafterkreises wesentliche Bedeutung zukam. Die Gründungsgesellschafter verfolgten offensichtlich eine weitreichende closed-shop-Strategie. Mit dem Eintritt eines familienfremden Investors wäre der Charakter als Familienunternehmen, bei dem ausschließlich Abkömmlinge der Gründer mittelbare oder unmittelbare Gesellschafter waren, unwiederbringlich verloren.

    Das Vorgehen der Klägerin im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss mit dem Investor rechtfertigte nach Überzeugung des OLG Hamm daher den Ausschluss der Klägerin als Gesellschafterin aus der Beklagten: das Vertrauensverhältnis sei durch ihr Verhalten derart zerrüttet gewesen, dass den übrigen Gesellschaftern der Beklagten eine vertrauensvolle, weitere Zusammenarbeit mit der Klägerin nicht mehr zumutbar war.

    Anmerkungen und Praxistipp

    Streitigkeiten im Gesellschafterkreis lassen sich nie gänzlich vermeiden. Dies gilt erst recht in Familienunternehmen, die regelmäßig aufgrund des Nebeneinanders und der Überlagerung der beiden Systeme „Familie und Unternehmen“, etwaiger daraus resultierender Rollenkonflikte, Erbfolge- und Nachfolgethematiken sowie familiär/emotionale Komponenten ein erhöhtes Konfliktpotential bergen.

    Zu den wichtigsten Herausforderungen im Familienunternehmen gehört es deshalb – auch und gerade zur Vermeidung von Streitigkeiten – unter Berücksichtigung der Risikofaktoren klare Regelungen und Strukturen zu schaffen. Schlüssel zum Erfolg ist dabei, die Interessen, spezifischen Bedürfnisse und besonderen Belange der sich personell stetig verändernden Unternehmerfamilie mit denen des Familienunternehmens dauerhaft in Einklang und Ausgleich zu bringen, und zwar in Form eines dynamischen Prozesses. Die bestehenden Regelungen und Strukturen sollten regelmäßig auf ihre tatsächliche und rechtliche Aktualität geprüft und bei Bedarf an die sich durch den Wandel der Zeit ergebenden Bedürfnisse und Veränderungen angepasst werden.

    Ebenso wichtig wie das juristische Fundament ist es jedoch, einer Entfremdung der Familienmitglieder und dem Verlust der Identifikation mit dem Familienunternehmen sowie den darin verkörperten Werten über die Generationenfolge hinweg vorzubeugen.  Hierzu gehört auch, die (jüngeren) Familienmitglieder auf die besonderen Anforderungen eines Familienunternehmens zu sensibleren, um (Ein-)Verständnis für und mit den Regelungen und Strukturen im Familienunternehmen zu schaffen. Zentrale Instrumente, die sich in der Praxis bewährt haben, sind eine tragfähige Familien-Charta (Familienverfassung), eine Art Regelwerk für den Umgang miteinander und regelmäßige Familientage, bei denen alle Generationen der Unternehmerfamilie eingebunden werden.

    OLG Hamm, Urteil vom 19.06.2023 – 8 U 21/23

    Dr. Moritz Jenne
    Lisa Werle

    Dieser Beitrag erscheint ebenso im Haufe Wirtschaftsrechtsnewsletter.

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