In einer aktuellen Entscheidung (Urt. v. 12.2.2025 – 1 K 2286/24) hat sich das Verwaltungsgericht (VG) Leipzig mit der Rechtmäßigkeit der Sondernutzungssatzung im stationsbasierten Carsharing der Stadt Leipzig befasst. Die Stadt hat für die Sondernutzung der Einrichtung eines Stellplatzes von dem Anbieter eine Gebühr von bis zu EUR 405 im Monat erhoben. Der Anbieter hat gegen diesen Gebührenbescheid Klage zum VG Leipzig erhoben und die Rechtmäßigkeit des Bescheides und der dahinterstehenden Sondernutzungssatzung in Frage gestellt. Zu Recht: Nach Auffassung des VG Leipzig steht die Gebühr außer Verhältnis zum Ausmaß der Beeinträchtigung und verletzt daher das im Straßen- und Wegerecht geltende Äquivalenzprinzip. Insbesondere habe die Stadt die Zielstellung des Carsharinggesetzes nicht hinreichend berücksichtigt.
Die Entscheidung gibt wichtige Hinweise, welche Erwägungen bei der Festsetzung der Höhe der Sondernutzungsgebühr bei neuen Mobilitätsformen von den Städten und Gemeinden vorzunehmen sind. Zwar betrifft die Entscheidung unmittelbar das Carsharing, sie ist aber auch für das Angebot von Leihfahrrädern und E-Scootern anwendbar, sofern man – wie es die aktuelle Rechtsprechung macht – auch bei diesen Angeboten von einer straßenrechtlichen Sondernutzung ausgeht (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 20.11.2020, Az. 11 B 1459/20 zu Leihfahrrädern; Urt. v. 26.10.2023 – 11 A 339/23 – zu E-Scootern – hierzu näher: Regulierung von E-Scootern im öffentlichen Raum – Welche Anforderungen gelten an die Auswahl der Anbieter? | ADVANT Beiten).
Das VG führt zunächst aus, dass es der Satzungsautonomie der Stadt obliege, ob und in welcher Ausgestaltung sie Befreiungstatbestände von den Gebühren vorsieht. So darf sie Angebote, die sich in die stadteigene Mobilitätsplattform einbinden lassen, gegenüber Angeboten, die sich dem verweigern, unterschiedlich behandeln. Eine Gebührenbefreiung für die Angebote, die Teil der Mobilitätsplattform werden, sei nicht zu beanstanden.
Da der Befreiungstatbestand auf die Klägerin nicht anwendbar war, hat sich das VG mit dem Gebührentarif für die Nutzung des Carsharingstellplatzes auseinandergesetzt. Dabei ist es aus Sicht des Gerichts zulässig, die Stadt in unterschiedliche Zonen zu unterteilen und je nach Zone eine in der Höhe unterschiedliche Gebühr zu verlangen. Üblicherweise ist die Gebühr im Innenstadtbereich am höchsten, während die Gebühr in den Außenbezirken abgesenkt wird, um Anreize für die Anbieter zu schaffen, auch dort Leihfahrzeug, Leihfahrräder oder E-Scooter aufzustellen.
Auch die Erhebung einer monatlichen Gebühr ist zulässig. Dabei grenzt das VG diese Gebühr von der vom OVG Münster im Eilverfahren als unzulässig erklärten Jahresgebühr der Stadt Köln für E-Scooter ab (OVG Münster, Beschl. v. 26.10.2023 – 11 A 339/23).
Die Stadt hat sodann die Gebühr auf einen Auffangtatbestand gestützt und die konkrete Gebühr anhand der in Anspruch genommenen Fläche berechnet. Ob diese pauschale Betrachtung ausreichend ist, lässt das Gericht offen, da jedenfalls ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip vorliege. Bei der Festsetzung der Gebührenhöhe müsse erkennbar sein, dass die Stadt die Besonderheiten und Zielsetzung des Carsharinggesetzes (CsgG) beachtet hat. Das CsgG verfolgt insofern das Ziel einer Verringerung des motorisierten Individualverkehrs, insbesondere auch durch eine Vernetzung mit dem öffentlichen Personennahverkehr - ÖPNV -, mit der Folge der klima- und umweltfreundlichen Entlastung von straßenverkehrsbedingten Luftschadstoffen. Dieses gesetzgeberische Ziel ist bei der Gebührenfestsetzung angemessen zu berücksichtigen.
Das VG erwägt weiterhin, dass die Höhe der Gebühr einen (unzulässigen) Druck auf die Unternehmen ausübe, sich der Mobilitätsplattform der Stadt anzuschließen. Dies sei ein sachfremdes Kriterium für die Bemessung der Gebühr.
Abschließend wird noch geprüft, ob der Gebühr eine "erdrosselnde" Wirkung für die Anbieter zukomme. Einen entsprechenden Vortrag hatte der Kläger nicht mit wirtschaftlichen Daten und Nachweisen hinreichend substantiiert. Ein Vergleich der Gebührenhöhe mit anderen Städten kommt nach Auffassung des VG jedenfalls keine unmittelbare Wirkung zu, da die Gebührenhöhe der Satzungshoheit der Gemeinde unterfällt und die konkreten Ausgestaltungen nicht ohne weiteres vergleichbar sind.
Die Entscheidung gibt wertvolle Hinweise in Bezug auf die Spielräume, welche die Gemeinde bei der Festlegung der Gebühr für eine Sondernutzung neuer Mobilitätsformen nutzen kann. Zunächst empfiehlt es sich, die unterschiedlichen Gebührentatbestände möglichst konkret in der Satzung zu regeln. Auffangtatbestände sind möglich, nach Möglichkeit sollte von diesen aber nur zurückhaltend Gebrauch gemacht werden.
Eine gebührenrechtliche Privilegierung von Mobilitätsformen, welche sich in eine gemeindeeigene Mobilitätsplattform einfügen, ist zulässig. Gleiches gilt für unterschiedliche Gebühren in verschiedenen städtischen Zonen, um auch für ein Angebot in den Außenbezirken Anreize zu setzen. Am Ende darf die Gemeinde, was die Gebühr angeht, "nicht über das Ziel hinausschießen". Dazu gehört auch – sofern diese für die jeweilige Verkehrsform vorliegen – gesetzgeberische Ziele bei der Festlegung der Gebührenhöhe angemessen zu berücksichtigen.
Sascha Opheys