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    18.07.2024

    Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin der Europäischen Union wiedergewählt


    Kommissionspräsident

    Ursula von der Leyen wurde mit 401 Stimmen als Kommissionspräsidentin wiedergewählt, mit einem größeren Mehrheit als angesichts des Ergebnisses der Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni, die die Zusammensetzung des Parlaments in vielerlei Hinsicht verändert hat, erwartet.

    Die neu gewählten Mitglieder des Europäischen Parlaments sind diese Woche zum ersten Mal in Straßburg zusammengekommen und zu ihren ersten Aufgaben gehörte die Wahl des Kommissionspräsidenten. Der Europäische Rat war bereits zuvor zusammengetreten und hatte die estnische Premierministerin Kaja Kallas zur nächsten Hohen Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik designiert und den ehemaligen portugiesischen Regierungschef Antonio Costa zum Präsidenten des Europäischen Rates ernannt.

    Europäisches Parlament

    Den Auftakt machte das Europäische Parlament mit der Wahl seines Präsidenten. Mit einer großen Mehrheit (562 von 623 gültigen Stimmen) wählten die Abgeordneten die Christdemo-kratin Roberta Metsola aus Malta. Die 45 -Jährige bekleidet das protokollarisch höchste Amt in der EU seit 2022 und ist selbst seit 2013 Mitglied des Europäischen Parlaments. Der Präsident des Europäischen Parlaments leitet alle Aktivitäten des Plenums, erteilt den Rednern das Wort, vertritt das Parlament nach außen und unterzeichnet Gesetze. Metsola will sich für ein "starkes Parlament" einsetzen und die "Ungleichgewichte zwischen den Institutionen" beseitigen. Metsola gilt als große Unterstützerin der Ukraine und setzte sich in ihrer ersten Amtszeit für eine gerechte Verteilung von Migranten innerhalb der EU ein, was zur Verabschiedung des Asyl- und Migrationspakts im Jahr 2024 führte.

    Das Europäische Parlament hat außerdem seine 14 Vizepräsidenten gewählt, die gemeinsam mit dem Präsidenten den Haushalt des Parlaments aufstellen und die Tagesordnung festlegen. Von den 14 Sitzen gingen sechs an die Sozialdemokraten, drei an die EVP, zwei an die EKR und je einer an die liberale Renew-Franktion, die Grünen und die Linken. Die eher "rechten" Parteien, die auf mehr Sitze im Präsidium gehofft hatten, waren von dem Ergebnis enttäuscht.

    Künftige Europäische Kommission

    Am 18. Juli fand die mit Spannung erwartete Wahl des Kommissionspräsidenten statt. Der Europäische Rat ernennt den Kommissionspräsidenten mit qualifizierter Mehrheit, wobei laut EU-Vertrag das Ergebnis der Europawahl berücksichtigt werden muss. Bei der Europawahl 2014 wurde zwischen den europäischen Parteien erstmals informell das "Spitzenkandidatenprinzip" vereinbart, das besagt, dass der Europäische Rat nur den Kandidaten nominieren darf, dessen Partei bei der Europawahl das beste Ergebnis erzielt hat. Damals wurde das Prinzip nicht befolgt und stattdessen Ursula von der Leyen gewählt. Diesmal stand sie zur Wiederwahl an.

    Ursula von der Leyen musste sich nicht nur mit den neuen Mehrheitsverhältnissen im Parlament auseinandersetzen, sondern ein Gerichtsurteil vom 17. Juli 2024 stellte auch die Entscheidung der Kommission in Frage, keine detaillierten Informationen über den Kauf von Coronavirus-Impfstoffen offenzulegen. Der deutsche Spitzenkandidat der Linken, Fabio di Masi , forderte daraufhin Frau Ursula von der Leyen auf, auf ihre Kandidatur zu verzichten Dennoch war Ursula von der Leyen am Ende die klare Siegerin. Sie erhielt 401 von 719 möglichen Stimmen. Damit erzielte sie nicht nur ein besseres Ergebnis als 2019, sondern überraschte auch viele Kritiker mit einem klaren Sieg im ersten Wahlgang. In ihrer Rede vor der Wahl betonte sie kämpferisch, dass sie der Ukraine "so lange wie nötig" zur Seite stehen wolle und dass es ihr Ziel sei, "eine echte europäische Verteidigung aufzubauen". Zur Überraschung vieler Beobachter sprach sich von der Leyen erstmals auch für die Zulassung von E-Treibstoffen innerhalb der EU aus. Ihrer Meinung nach sollten die politischen Leitlinien der Verkehrsverordnung überdacht werden. Damit ging sie auf Forderungen der konservativen Parteien ein. EVP-Chef Weber kommentierte dies kurz mit den Worten: "Das ist das Ende des "Verbots von Verbrennungsmotoren nach 2035".

    Im Rahmen ihrer organisatorischen Befugnisse leitet die Kommissionspräsidentin die Arbeit der Kommission und beruft die Sitzungen des Kollegiums der Kommissionsmitglieder ein. Die Präsidentin entscheidet über die Zuständigkeitsbereiche der Kommissare, die sie auch während ihrer Amtszeit neu zuschneiden kann. Für die Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik gelten bestimmte Einschränkungen.

    Die anderen Mitglieder der Europäischen Kommission werden in den nächsten Wochen von ihrem Präsidenten ausgewählt und müssen vom Parlament bestätigt und von den 27 Mitgliedstaaten akzeptiert werden. Der Ermessensspielraum des Kommissionspräsidenten bei der Auswahl der Kommissare und ihrer Ressorts ist durch den Einfluss der Mitglied-staaten etwas eingeschränkt. Die Anzahl der Kommissare ist im Allgemeinen auf einen Kommissar pro Land festgelegt. Der Hohe Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik wird vom Europäischen Rat ernannt, während die anderen Kommissionsmitglieder von den nationalen Regierungen der Mitgliedstaaten vorgeschlagen und vom Rat der Europäischen Union mit qualifizierter Mehrheit ernannt werden. Obwohl der Kommissionspräsident die Ernennung einer vorgeschlagenen Person ablehnen kann, werden die Vorschläge der Regierungen in der Regel zuvor mit dem betreffenden Land erörtert. Die Kommissare gehören in der Regel den Parteien an, die in den jeweiligen Ländern die Regierungen bilden. Das Europäische Parlament befragt die Kandidaten einzeln und gibt eine Stellungnahme ab, in der es die Kommission in ihrer Gesamtheit billigen oder ablehnen kann. Nach der Billigung durch das Parlament wird die Kommission vom Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit ernannt.

    In den nächsten Tagen wird sich zeigen, wie die Posten innerhalb der Kommission verteilt sein werden. Wie bereits erwähnt, soll die estnische Premierministerin Kaia Kallas, die vom Europäischen Rat am 28. Juni 2024 nominiert wurde, Außenpolitikchefin der EU werden. Sie ist Mitglied der liberalen Gruppe ReNew Europe und vertritt eine harte außenpolitische Haltung gegenüber Russland. Virginijus Sinkevicius (Grüne/EFA), Janusz Wojciechowski (ERK) und Adina Valean (EVP) werden der Kommission definitiv nicht mehr angehören, da sie alle aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung stehen. Im Zuge der neuen Zusammensetzung des Parlaments werden vor allem die Bereiche Landwirtschaft, Verkehr und Umwelt neue Kommissare erhalten.

    Ein weiteres Spitzenamt wurde bereits an den ehemaligen portugiesischen Regierungschef und Sozialdemokraten Antonio Costa vergeben. Seine Amtszeit beträgt zweieinhalb Jahre, jedoch es ist üblich, dass sich eine zweite Amtszeit anschließt.

    Die bestimmenden Themen der nächsten Legislaturperiode werden Migration, die europäische Verteidigung, die Ukraine und der Green Deal sein. Insbesondere das fortschrittliche Green-Deal-Programm wird durch die Stimmenverluste der Grünen und das Erstarken rechter Parteien vor großen Herausforderungen stehen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die zukünftige Kommission darauf reagieren wird.

    Prof. Dr Rainer Bierwagen
    Dr. Dietmar Reich
    Christian Hipp
    Gábor Bàthory